Zeitungsartikel Theater „Weg mit dem feinen Unterschied“

Weg mit dem feinen Unterschied

Zeitungsartikel vom 21. Juli 2022, 21:35 Uhr
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Die Theatergruppe der Max-Mannheimer-Mittelschule in Garching zeigt in der Schulaula das selbst entwickelte Theaterstück Treffpunkt Mitte unter Regie von Martina Blechner.
(Foto: Florian Peljak)

Garchinger Mittelschüler erarbeiten ein Theaterstück über Wege zur Freundschaft – über soziale Grenzen hinweg.
Von Irmengard Gnau, Garching
Da stehen sie wieder und beäugen sich misstrauisch. Die Jungs aus der Teichstraße lehnen lässig an ihrem Baum. Sie sind die Rich Kids, wohnen den Hügel hoch, teure Häuser und dicke Autos, das ist ihre Welt. Auf der anderen Seite die Kinder vom Bahnweg, sie haben nicht viel Geld, aber viele Freiheiten. Während die nervigen Mütter der Teichstraße ständig Programm für ihre Söhne gestalten, von der Nachhilfe über den Klavierunterricht bis zum Friseurbesuch, hat sich die Clique aus dem Bahnweg in der alten Kiesgrube ihr eigenes Reich aufgebaut, das sie selbstbewusst verteidigt.

Zwei Gruppen, die symbolisch für verschiedene Lebenswelten stehen und sich gegenseitig als feindlich, vielleicht gar als Bedrohung empfinden – können sie irgendwie zusammenfinden? Mit diesem Setting greift die Theatergruppe der Max-Mannheimer-Mittelschule in Garching um Regisseurin Martina Blechner in ihrer diesjährigen Bühnenarbeit „Treffpunkt Mitte“ ein Thema auf, das gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen an Gewicht gewonnen hat. Wie schwer wiegen Vorurteile, wenn die Möglichkeit des direkten Kennenlernens schwindet? Wie lassen sich Meinungen, die wir uns aus der Distanz über andere Menschen gebildet haben aufgrund ihres Kleidungsstils, ihres Wohnumfeld, ihrer familiären Herkunft oder ihres Glaubens, überprüfen und gegebenenfalls revidieren, wenn wir uns nicht persönlich begegnen? „Das Thema Freundschaft hat durch Corona noch eine größere Bedeutung erhalten“, sagt Blechner, die als Förder- und Theaterlehrerin an der Mittelschule unterrichtet.

„Beim Theaterspielen lernen sich die Kinder anders und besser kennen.“

Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern aus der fünften und achten Klasse hat sie daraus den Stoff entwickelt, den die Gruppe nun auf die Bühne gebracht hat. Ein Thema direkt aus der Lebenswelt der Jugendlichen. Seit Anfang des Schuljahres hat die Gruppe gemeinsam an dem Projekt gefeilt und sich auf die doch sehr persönliche Theaterarbeit eingelassen. „Beim Theaterspielen lernen sich die Kinder anders und besser kennen“, sagt Blechner. Damit die Theaterarbeit losgehen kann, muss eine vertraute Atmosphäre untereinander entstehen, der Kopf muss frei sein.

Das Stück ist für die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler eine Premiere. Das Arbeiten im Team, das beständige Entwickeln eines gemeinsamen Projekts, die Übernahme von Verantwortung für die Requisiten, Kulissen, die Technik und die Gruppe und – nicht zuletzt – der Auftritt auf der großen Bühne vor Mitschülern, Lehrerinnen und Eltern, all das fordert Mut – und gibt im Erfolgsfall Selbstbewusstsein.


Am Anfang bekämpfen sich die Kinder mit Stöcken.
(Foto: Florian Peljak)

Auf der Bühne beweisen die jungen Darsteller ein gutes Gespür für die feinen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Da die wohlbehüteten, aber gelangweilten Kids gut verdienender Eltern, dort die weniger Privilegierten, die früh gelernt haben, sich mit Frechheit durchzusetzen. Manches Klischee kommt zum Einsatz, wird jedoch augenzwinkernd eingesetzt. Der kleine Bruder ist es schließlich, der die selbst gezogenen und von der Gesellschaft verstärkten Grenzen durchbricht. Er will nicht nur in der öden Nachbarschaft der Teichstraße seine Kreise ziehen, die Kiesgrube und die Kinder dort ziehen ihn mehr an und so knüpft er erste Kontakte.


Am Ende haben sie Spaß bei einer Kissenschlacht.
(Foto: Florian Peljak)

Als der Jüngste irgendwann nicht mehr auftaucht, machen sich die beiden Gruppen gemeinsam auf die Suche. Und merken schließlich, dass sie weniger trennt, als sie dachten. Aus den anfänglichen Konflikten werden Dialoge, aus dem Stockkampf eine Kissenschlacht. Am Ende trifft man sich in der Kiesgrube. „Keiner ist besser oder schlechter“, fasst eine Stimme aus dem Off zusammen. „Warum freundet ihr euch nicht einfach an?“